Brief an MdB Ernst Dieter Rossmann, SPD

Hallo Herr Rossmann,

wie man hört, hat Ihr Parteivorsitzender ein Machtwort bezüglich eines neuen Anlaufs zur Vorratsdatenspeicherung gesprochen und Herr Maas muss jetzt liefern. Auf der anderen Seite haben verschiedene Mitglieder der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung ihre deutliche Ablehnung ausgedrückt, unter Anderem auch Ministerpräsident Albig, ebenfalls SPD.

Ich erinnere mich noch gut an die Erklärung einiger SPD-Abgeordneter aus dem Jahre 2007, darunter auch Sie selbst, in der der damalige Gesetzesvorschlag als "unerträglich" und "möglicherweise verfassungswidrig" bezeichnet wurde -- und doch haben sie zugestimmt.

Nun ist seit dem einige Zeit vergangen. Wir wissen zumindest zum Teil, wie befreundete Geheimdienste arbeiten und wir wissen auch, dass unsere eigenen Geheimdienste dabei kooperieren und diese Möglichkeiten ebenfalls anstreben. Wir wissen, dass im "Kampf gegen den Terror" Menschen mit Hilfe von Metadaten getötet werden. Und wir erfahren "Chilling Effects" immer häufiger auch am eigenen Leib.

Ich hoffe, Sie lassen sich nicht durch das aktuelle "Entgegenkommen" blenden. Berufsgeheimnisträger können nicht wirksam von der Überwachung ausgenommen werden, genau so wie der BND nicht in der Lage ist, E-Mails von deutschen Staatsbürgern auszufiltern. Der Richtervorbehalt funktioniert in der Praxis schon bei Hausdurchsuchungen nicht. Und die Beschränkung auf "schwere Straftaten" wird von den Proponenten selbst ad absurdum geführt, wenn argumentiert wird, die Vorratsdatenspeicherung würde gegen unberechtigte Abmahnungen oder Betrug auf ebay helfen.

Davon abgesehen dürfte Ihnen bekannt sein, dass die Vorratsdatenspeicherung keinen messbaren Effekt bei der Verbrechensbekämpfung gezeigt hat. Was bleibt, ist ein nicht wieder gut zu machender Vertrauensschaden in der Bevölkerung. Einer von vielen, könnte man sagen, aber das macht die Sache ja nicht besser.

Um es ganz klar zu formulieren: ich möchte nicht in einem Staat leben, in dem Widerstand sich faktisch nicht artikulieren oder organisieren kann. Ich möchte keinen Staat, der seinen Bürgern keine Rückzugsmöglichkeiten mehr lässt und allmächtig für seine Definition von Gerechtigkeit sorgt. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Schritt hin zu einem totalitären System, das keiner wirksamen demokratischen Kontrolle mehr untersteht.

Bitte helfen Sie mit, das zu verhindern und stimmen Sie nicht erneut einem Gesetz zu, das verfassungswidrig, gefährlich und seinem Sinne nach unwirksam ist.

Viele Grüße, Jochen Spieker.

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