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Auch hier: Kapitulation

Menno, der möblierte Philosoph braucht einen RSS-/Atom-/irgendwas-Feed. Sonst hätte ich ja schon vor Wochen gelesen, dass er (u.a.) über die Tocos gebloggt hat.

Dazu ist zu sagen: gut gemacht. Danke. Mein Senf: Kommentare der Urheber zu den einzelnen Songs, Videocast, Video zu "Kapitulation", und ein taz-Interview.

Den häufiger erwähnten großen Bruch gegenüber dem vorigen Album kann ich allerdings nicht wirklich feststellen. Textlich greifen die Jungs wieder zielsicher Ideen auf, die derart tabuisiert sind, dass man sich dessen erst beim Hören richtig bewußt wird. Bestes Beispiel dafür ist "Verschwör Dich gegen Dich":

Sei glücklich, mach die Augen zu
Niemand, der empfinden wird wie Du

Du mußt nicht zeigen, was Du kannst
Du darfst nicht sagen, was Du denkst
Man soll nicht wissen, wie Du fühlst

Hübsches Gegenstück zur beliebten Lüge, man würde schon gemocht, akzeptiert und erfolgreich (was ja für uns Ich-AGs alles dasselbe ist), wenn man sich bloß gäbe, wie man ist.

Musikalisch ist das alles nicht so der große Wurf (schreibe ich nach weniger als zehn Mal hören), aber durchaus hübsch und krachig genug. Klingt tatsächlich ein wenig mehr älteren Alben, aber eben auch nicht so doll, dass ich es für erwähnenswert halten würde. Einziger Ausreisse in dieser Richtung ist "Sag alles ab" mit dem (wohl bewußt) albernen Satz "Du mußt nie wieder in die Schule gehen". Da möchte man schon wieder Teil einer Jugendbewegung sein.

Auf jeden Fall kaufbar.

Ach ja: von den zwei Abschiedskonzerten Blumfelds hier in der Fabrik habe ich auch gelesen. Aber zu spät. Die Karten sind für mehr als siebzig Euro bei ebay weggegangen. Für die Fabrik, das muss man sichmal vorstellen.

Wife No. 19

Wife No. 19 (alternative Formate bei archive.org) von Ann Eliza Young. Die arme war eine von Brigham Youngs vielen Frauen, der wiederum der zweite Präsident ("Prophet") der Mormonen war. Direkter Nachfolger des Religionsstifters Joseph Smith.

Nachdem ich im letzten Jahr so einiges darüber gelernt habe, wie sich der Verein heute verhält, ist es sehr interessant zu lesen, wie sich die Sache in der Frühezit entwickelt hat. Nicht nur, dass die frühen "Heiligen" einiges an äußerem Druck zu ertragen hatten. (Es ist kein Zufall, dass sie sich gerade im unwirtlichen Utah niedergelassen haben.) Die heute allen Mormonen (mehr oder weniger) bekannten "Offenbarungen" kamen damals alle erst nach und nach und wurden teilweise erst geheim gehalten – wohl zum Einen, um den äußeren Druck nicht unnötig zu verstärken, zum Anderen aber sicher auch um weniger stark überzeugte Anhänger nicht zu verlieren.

Die Einführung der Polygamie wurde aus ebendiesen Gründen erst auch geheim gehalten. Wie sich mindestens eine Frau dabei gefühlt hat, ist in dem Buch nachzulesen:

A gentleman visiting Salt Lake City for the first time once
asked me where polygamy hurt the most.

"It hurts all over, body and soul, mind and heart, was my reply.
 "I can't tell a spot that it does not hurt."

Dabei wird eine unglaublich perfide Strategie deutlich, die auch heute noch bei den Mormonen angewandt wird: Zweifel an der Lehre werden zu Persönlichkeitsschwächen umgedeutet:

"I don't understand it, he would say; "you were willing at first.
What is the difficulty now? Don't you think Elizabeth a good,
true girl?"

"Yes, indeed," was always the reply; for my mother was too just a
woman to do even a rival a wrong.

"Don't you believe in polygamy, then?" he would ask, determined
to get to the bottom of the mystery.

"Yes, I suppose so. I wish to live my religion," was the dreary
reply.

"Well, what is to be done about it?" was the next anxious
question.

"O, I don't know," my mother would say, in bitter despair; "but I
can't endure this life.

"And yet you entered it voluntarily. I don't understand you; you
are strangely inconsistent." 

Aber das ist nicht das einzige Verbrechen an den Gläubigen (und Ungläubigen), dass in dem Buch mit viel Empathie geschildert wird. Und es geht auch um deutlich konkretere Verbrechen:

"Will you love your brothers and sisters when they have a sin
that cannot be atoned for without the shedding of their blood?
Will you love that man or that woman well enough· to shed their
blood? That is what Jesus meant.

"The time will come when the law of God will be in full force.
This is loving our neighbor as ourself: if he needs help, help
him; if he wants salvation, and it is necessary to spill his
blood upon the earth in order that he may be saved, spill it." 

Ich werds bestimmt nicht komplett lesen, aber auch schon ein paar Kapitel erzeugen einen sehr plastischen Eindruck von dem Geschehen.

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