So mancher mag schon festgestellt haben, daß ein großer Nachteil bedruckten Papiers ist, daß es dafür kein brauchbares grep gibt. Was ich gestern erlebte, läßt dieses Problem lächerlich erscheinen. Denn gestern beschloss meine Liebste, sich einer lang aufgeschobenen Aufgabe zu widmen. Und mich auch.
Sie studiert bekanntlich Jura und besitzt dementsprechend einige Standardwerke - darunter den Schönfelder. Den muß man sich in etwa wie die Bibel vorstellen. Nur sind die Seiten gelocht und das Gesamtwerk ist zwei- bis dreimal so dick. Und weil sich Gesetze ja ständig ändern, kann man sich regelmäßig sogenannte Ergänzungslieferungen zueignen. Davon hat meine Liebste einige gesammelt.
Da kommt dann ein eingeschweißter Stapel Papier (ca. 100 bis 500 Seiten) mit einer Anleitung zum Einordnen. Die linke Spalte ist überschrieben mit "Herauszunehmen" und die rechte mit "Einzuordnen". Man darf dann also das gesamte Werk durchblättern und alte durch neue Abschnitte ersetzen, sowie manchmal auch neue Blätter einfügen, ohne irgendwas rauszunehmen. Mit anderen Worten: ein gedrucktes diff. Und das dazugehörige patch darf man selbst spielen. Das nenne ich mal, um den Begriff einer Freundin zu benutzen, meditatives Arbeiten!
Dieser Vorgang muß dann für alle bisher erschienenen Ergänzungslieferungen wieder holt werden. Selbstverständlich in der richtigen Reihenfolge, sonst droht Ungemach. Ganz wie bei inkrementellen diffs.
Was immerhin interessant dabei ist: die Juristen machen das schon seit 1935, also lange vor der Computerei in uns bekannter Form! Allerdings würde ich einen Rückfluß der inzwischen gemachten Fortschritte in der Bearbeitung dieses Konzepts an die ursprünglichen Erfinder begrüßen. Vielleicht sollten unsere Gesetzgeber gleich auf ein Versionskontrollsystem umsteigen. Dann ginge sowas fast wie von selbst. Selbst Rollbacks wären möglich, wenn sich herausstellt, daß eine Änderung ein Griff ins Klo war.